Storytelling: Es war einmal vor langer Zeit
Das Storytelling begleitet uns eigentlich von klein auf – ob in Kinderfilmen oder in Märchenbüchern, wir alle sind mit dem „Geschichten-Erzählen“ vertraut. Oft beginnt die Handlung mit dem einleitenden Satz „Es war einmal vor langer Zeit …“ oder „Es lebten einmal …“ und erzählt dann die Geschichte einer Heldenreise, einer Liebesromanze oder eines Fantasy-Abenteuers. Alle Märchen und Geschichten haben dabei eines gemein: Sie vermitteln durch die Handlung bestimmte Werte und Emotionen, die beim Leser oder Zuhörer ankommen sollen. Hänsel und Gretel befreien sich beispielsweise durch ihre Kühnheit und ihren Einfallsreichtum aus den Fängen der Hexe.
Harry Potter hingegen entwickelt sich vom schüchternen Waisenjungen zum mutigen Helden, der sich seinem Widersacher Lord Voldemort stellt und ihn letztendlich besiegt. Bei beiden Geschichten haben wir als Kinder und Teenager voller Spannung mitgefiebert, mussten vielleicht an traurigen Stellen weinen und waren froh, wenn das Gute gegen das Böse siegte. Geschichten lösen bei den Zuhörern oder Lesern bestimmte Emotionen aus, die so schnell nicht mehr vergessen werden – nicht umsonst können wir uns selbst im Erwachsenenalter noch an unser Lieblingsmärchen erinnern. Wir verbinden mit den Märchen bestimmte Werte, die uns etwas fühlen lassen. Besonders positive Gefühle bleiben uns länger im Kopf – dadurch denken wir gerne an die Geschichte zurück oder erzählen sie vielleicht auch einmal unseren Kindern. Genau dieses Prinzip des Geschichten-Erzählens nutzen mittlerweile viele Unternehmen als geschickte Marketingstrategie, um potenzielle Kunden an sich zu binden. Beim Storytelling als Marketingstrategie sollen mithilfe von fiktiven Geschichten bestimmte Werte und Emotionen vermittelt werden, die bei den Kunden ein positives Markenbild zeichnen.
Wieso ist Storytelling für das Marketing so attraktiv?
Unternehmen und Firmen stehen wegen der Vielfalt an Mitbewerbern vor der Aufgabe, die Unternehmenskommunikation mit Bedacht anzugehen. Das Markenbild und die Unternehmenswerte müssen gut gewählt und adäquat präsentiert werden, damit die eigene Marke hervorsticht. Dafür eignet sich Storytelling sehr gut, denn potenzielle Kunden werden dadurch nicht einfach der Werbung „ausgesetzt“, sondern dürfen an einer Geschichte teilhaben bzw. auf eine emotionale Reise gehen. Im Optimalfall wird die Vermittlung von Fakten, Daten und Eigenschaften durch Geschichten langfristig angelegt und gut geplant. Authentizität und Emotionalität sind dabei das A und O. Aber warum erinnern wir uns besser an Geschichten, die Fakten enthalten, als an die bloßen Fakten selbst? Das liegt daran, dass wir bei der Verarbeitung von Geschichten mehr Gehirnareale aktivieren als bei der Verarbeitung von Fakten. Zudem verknüpfen wir dank der sogenannten Spiegelneuronen Informationen aus der Geschichte mit unserem Wissen über die Welt und nehmen erlebte Handlungen so wahr, als wären es unsere eigenen Erfahrungen. Informationen werden dadurch tiefer gehend verarbeitet und nicht „nur“ gespeichert. Mögliche Geschichten, die von Unternehmen erzählt werden können, sind zum Beispiel die Gründergeschichte eines Unternehmens, eine Meilenstein-Geschichte, Daten und Fakten der Unternehmensentwicklung sowie Geschichten zu Produkten oder Dienstleistungen.
Ein Positivbeispiel – Edeka und der „Heimkommen“-Weihnachtsspot
2015 veröffentlichte der Lebensmittelhändler Edeka in der Weihnachtszeit einen Werbespot, der anschließend im Netz viral ging. Es wird die Geschichte des Großvaters erzählt, der jedes Jahr für das Weihnachtsfest eine Absage von seinen Kindern erhält und Heiligabend somit allein verbringt. Der Großvater gibt seinen Kindern daraufhin in Briefen bekannt, er sei verstorben und seine Kinder mögen sich zur Trauerfeier an seinem Anwesen treffen. Die erwachsenen Kinder sind natürlich betrübt und versammeln sich zum Abschied in seinem Haus. Als die Kinder das Haus betreten, erscheint der Großvater im Türrahmen der Küche und fragt mit rührseliger Stimme: „Wie hätte ich euch denn sonst alle zusammenbringen sollen?“ Anschließend sitzt die Familie gemeinsam am üppig gedeckten Tisch und feiert Weihnachten.
In dem Spot wird nicht nur eine emotionale und sehr traurige Geschichte erzählt, sondern Edeka setzt nebenbei die eigenen Produkte und Weihnachtsspecials gekonnt in Szene. So sieht man zu Beginn des Spots die klassische Edeka-Papiereinkaufstüte und zum Schluss den festlich gedeckten Tisch mit vielen Leckereien, die augenscheinlich in einem Edeka-Markt eingekauft wurden. Die Zuschauer erleben in dem knapp zweiminütigen Clip verschiedene Emotionen: Mitleid für den Großvater, Groll gegen die Kinder, Trauer wegen des Todes des Großvaters sowie Erleichterung und Freude, als die Familie gemeinsam am Tisch sitzt und das Festmahl genießt. Edeka hat mit diesem Clip gekonnt eine emotionale Nachricht transportiert, die gleichzeitig bei den Kunden für ein positives Markenbild sorgt und somit in Erinnerung bleibt. Der Lebensmittelhändler kommuniziert durch diesen Clip die positiven Werte, mit denen er in Verbindung gebracht werden möchte – Gemeinschaft, Heimatverbundenheit, Glück, Freude und Idylle. Dadurch betrachten Kunden das Unternehmen nicht nur als wirtschaftliches Geschäft, sondern assoziieren positive Werte mit der Marke. Das wiederum führt dazu, dass Kunden dort häufiger einkaufen.
Den Werbespot findet ihr hier.
Quelle: Mattenberger, M. Matthias (2021): Brandtelling. Storytelling, das Marken und Menschen verbindet.
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